10 Gründe? Naja.
Die Grünen RLP haben eben in einem Blogpost ein paar Gründe veröffentlicht, warum man am Sonntag nicht die Piraten, sondern Grün wählen soll. Ich mag diesen Negativwahlkampf nicht besonders, da ich der Meinung bin, daß sich so niemand von seiner ursprünglichen Wahlabsicht abbringen lässt. So überzeugt man keine Wähler, man stößt ihnen höchstens vor den Kopf. Drüben bei fidepus erschien dann auch gleich eine Antwort auf die "10 Gründe", die ich so aber auch nicht unterschreiben kann. Hier also meine bescheidene Meinung zu den "10 Gründen", die man gerne synoptisch zu der Antwort von fidepus lesen darf:
1. Die Piraten werden nicht in den Bundestag einziehen. Egal ob sie 1, 2 oder 3 Prozent holen, die Stimme ist verschenkt.
Dieses Argument hört man ständig und ich lasse es nicht gelten. Ebenso, wie eine Zweitstimme für die Piraten "verschenkt" wäre, ist auch eine Erststimme für den hiesigen grünen Kandidaten verschenkt, da dieser keine Chance hat, direkt gewählt zu werden. Bei der Bundestagswahl 1980 hatten die Grünen 1,5% - alles verschenkte Stimmen.
2. Alle wichtigen Forderungen der Piraten stehen im Programm der GRÜNEN. Sie werden von uns im Bundestag vertreten!
Ich sehe das ähnlich, fidepus führt hier die Zensursula-Abstimmung heran. Eine Enthaltung ist jedoch, wenn auch keine starke Opposition, trotzdem noch lange keine Zustimmung.
3. Die GRÜNEN haben zu allen Politikthemen Konzepte. Bei den Piraten aber findet sich zur sozialen Gerechtigkeit kein Wort!
Ja, die Piraten sind eine junge Partei und decken wichtige Themen nicht ab. Ich finde das insbesondere vor den jüngsten Wertediskussionen sehr Schade. Die Piraten gibt es auch nicht erst seit gestern, eine Positionierung tut Not.
4. DIE GRÜNEN haben als einzig relevante Partei Netzpolitik und Neue Medien immer wieder auf die politische Agenda gesetzt.
Wenn fidepus kontert, die Grünen haben für Netzsperren gestimmt, kann ich leider nur (siehe 2) widersprechen.
5. Die Piraten haben Probleme mit der Abgrenzung zum rechten Rand.
Selbst fidepus meint, da stände "noch Arbeit an". Ich meine, die Piraten haben ein Positionierungs- und Werteproblem und müssen deshalb aufpassen, nicht unterwandert zu werden. Auch wenn es sicherlich ein steiniger Weg ist, die Piraten müssen sich positionieren, da sie eine Partei und keine bloße Bürgerinitiative mit Kernthema sein wollen.
6. Die Piraten hatten in Thüringen zur Wahl der GRÜNEN aufgerufen.
Das halte ich auch nicht für falsch. Wenn man natürlich taktisch wählt und andere Stimmen als verschenkt ansieht müssten Grüne und SPD bei Erst- und Zweitstimmen immer dazu aufrufen, den bevorzugten Koalitionspartner zu wählen, oder?
7. Der Pirat Christian Engström ist im Europäischen Parlament der Fraktionsgruppe der GRÜNEN beigetreten.
Ja, es gibt auch im Europaparlament Fraktionen. So what?
8. Die GRÜNEN setzen sich in Deutschland seit Jahren gegen Überwachungswahn, Online-Durchsuchungen, Rasterfahnung ein.
Ottokatalog. Ja, es hätte ohne grün noch schlimmer kommen können, aber diese Kröte wurde geschluckt und wir haben dabei angeekelt zugesehen. Natürlich haben die Grünen nun ein Problem, dem Wähler glaubhaft zu machen, daß sie diese 'Maßnahmen' in Regierungsverantwortung wieder rückgängig machen werden, wollen oder können.
9. Wir erarbeiten schon heute offen und transparent unsere Programme.
Dies habe ich z.B. nie als Erfindung der Piraten gesehen. Die Piraten profitieren davon natürlich (noch?) stärker, da sie kleiner sind als die Grünen. Je mehr Mitglieder desto mehr Meinungen desto schwerer findet man einen Kompromiß. So what?
10. Jede Stimme für die Piraten stärkt Schäuble/Zensursula! Darum gilt: Nachdenken! Und Zweitstimme GRÜN!
Wirklich "an den Haaren herbei gezogen", wie fidepus es kommentiert, ist diese Ansicht natürlich nicht, wenn man ein Vertreter der "verschenkte Stimme"-Seite ist. Schäuble und Zensursula werden jedoch hauptsächlich durch die Stimmen für die CDU gestärkt. Vielleicht sollte man deshalb besser dort ansetzen und den Wähler überzeugen, daß die Politik der CDU seine Interessen schlecht oder gar nicht vertritt.
Beim besten Willen liebe RLP-Grüne, lieber Felix Schmitt, aber dieser Blogpost ist für die Tonne. Ist es die Angst, daß die Piraten den Grünen nötige Stimmen abgraben? Ist es die Einsicht, daß sich im Konservativen Lager eh nichts ändert und Opa, der vorgestern Zentrum und gestern Strauß gewählt hat, am Sonntag wieder sein Kreuz bei der CDU macht? Resignation?
Vielleicht solltet Ihr Euch mal Gedanken machen warum Ihr, wenn Ihr schon Opa nicht zu einem grünen Kreuz überreden könnt, dann auch noch Wähler an der Seite verliert, deren Themen Ihr eigentlich abdeckt. Es geht um Überzeugungsarbeit und Glaubwürdigkeit und ja, teilweise (leider) auch um ein innerparteiliches "an einem Strang ziehen". Eure "10 Gründe" tragen dazu nicht bei.
(Zur weiteren Lektüre in Sachen Piraten empfehle ich dem geneigten Leser den Spiegelfechter und die Überlegungen von Felix Neumann)
Labels: gesehen, kaputt, Netz, Piratenpartei, Politikwelt
3 Comments:
Danke für die Argumentation!
Mein Beitrag ist, das ist offensichtlich, zugespitzt und provokativ gemeint. Ein paar Tage vor der Wahl sicherlich nicht falsch. Dass ich dabei nicht so ausgewogen argumentiert habe, wie du in deinem Blogbeitrag sehe ich auch.
Den Blogeintrag habe ich geschrieben, gerade weil Piraten und GRÜNE an vielen Stellen inhaltliche Überschneidungen haben, mit dem Opa hat das nichts zu tun. Überzeugen will ich, und bin natürlich auch im Dialog mit Piraten (ein paar arbeiten bei uns auch mit). Ausgewogener wirds auch, nach der Wahl...
Hi,
der Hauptkritikpunkt an meinem Text scheint hier ja zu sein, dass eine Enthaltung noch keine Zustimmung bedeutet. Das reicht mir persönlich in diesem extrem ernsten Fall allerdings nicht aus. Ich kann hier nichts anderes als konsequentes dagegen sein akzeptieren. Es geht hier immerhin um das Recht auf freie Informationsbeschaffung / Zensur.
Wer immer noch glaubt es ginge bloß um die Sperrung von dokumentiertem Missbrauch, dem kann ich auch nicht mehr helfen.
Das Thema (digitale) Bürgerrechte ist mir dann auch ernst genug eine Wahlentscheidung daran festmachen zu können. Schließlich werden damit die Weichen für das Aussehen unserer Gesellschaft in vielen Jahren gestellt.
"Wer immer noch glaubt es ginge bloß um die Sperrung von dokumentiertem Missbrauch, dem kann ich auch nicht mehr helfen" - ne, ich auch nicht. Ohne die Grünen, die sich enthalten haben, entschuldigen zu wollen: Die meisten von denen haben Familie (siehe parlameter), sind älteren Jahrgangs und z.B. aktiv in Verbänden etc., die sich für Familien- und Jugendpolitik einsetzen. Erklär mal einem Familienpolitiker das Problemfeld und zwar so, daß er es auch vor dem ganzen Wählertross, der an ihm hängt, vertreten kann. Hier war m.E. eindeutig die Presse mit ihren Fehlinformationen zu stark. (Ich bin übrigens auch gegen strikte Fraktionszwänge ala 'alle oder keiner' - hier hat die innerparteiliche Überzeugungsarbeit an den DAUs nicht funktioniert! Eine Schande...)
Wie gesagt: Keine Entschuldigung. Schließlich haben die Grünen in Regierungsverantwortung auch einiges auf dem Kerbholz. Hinzu kommen die innerparteilichen technikfeindlichen Strömungen (böses Strahlen-WLAN) usw.
Trotzdem: Die Grünen sollten sich der Kritik stellen sich diese zu Herzen nehmen, entsprechend reagieren und die Verprellten aufsammeln.
Piratenbashing ist da fehl am Platz, man fasse sich an die eigene Nase. Und deswegen, Hr. Schmitt: Doch, ich halte den Beitrag auch kurz vor der Wahl für sehr falsch. Gerade Grüne sollten sich unter dem Zeichen des Wahlkampfes nicht zur hysterischen Agitation hinreißen lassen. Ich kann mir vorstellen, man ist parteiisch aufgeladen in seiner peer group und mit seinem Siegeswillen - aber: Calm down.
Kommentar veröffentlichen
<< Home