Resignation
...in Gesprächen z.B. rund ums Thema Bildungsstreik kommt häufig die Frage auf, warum sich eigentlich trotz der unterstützenswerten Ziele so wenige Studierende an den Protesten beteiligen. Oft wird von dem Eindruck gesprochen, daß sich hauptsächlich nur noch die 'Hobbydemonstranten' beteiligen und dies, neben den ideologischen Kleinkriegen, in die sich verrannt wird, dann auch der Grund ist, warum viele keine Lust haben, irgendwelchen Solidaritätsrufen zu folgen. Warum läßt es die breite Basis der Studierenden jedoch so weit kommen, daß nur noch ein kleines Häufchen chronisch Engagierter ihre Belange (und dann evtl. nicht nur diese oder in Formen, die nicht erwünscht sind) vertritt? Was befeuert die Spirale des Sich-abwendens von der Vertretung der Ziele, die viele eigentlich als sinnvoll betrachten?
Meines Erachtens herrschen Resignation und, wenn vielleicht auch keine Politikverdrossenheit, Politiker- und Parteienverdrossenheit. Der ein oder andere wird sich fragen, was es einem nützt, sich für bessere Bildungsbedingungen einzusetzen, wenn die Effekte ausbleiben, wenn für die Zeit, in der es einen direkt betrifft, sowieso keine Veränderungen zu erwarten sind.
Den Einfluß, den Protest auf politische Entscheidungen hat, möchte ich an einm anderen Beispiel verdeutlichen: Momentan tobt ein Sturm der Entrüstung durch das Internet, da der Bundestag gestern einem Gesetz zugestimmt hat, das den Zugang zu bestimmten Internetseiten erschweren soll. Zwar soll mit diesem Gesetz nur der Zugang zu Seiten, die Kindesmißbrauch dokumentieren, verhindert werden, jedoch befürchten Kritiker, daß eigentlich der Weg in Richtung Zensur geebnet wird. Und tatsächlich bescheinigen Experten, daß das Gesetz höchst fragwürdig ist und das eigentliche Ziel so nicht erreicht wird, es sich sogar stark kontraproduktiv auswirken wird.
Das Hauptziel der Kritiker, das Gesetz zu verhindern, ist also überschaulicher gesteckt und viel einfacher zu erwirken als die Ziele der Protestler für ein besseres Bildungssystem. Unter den Zensurgegnern finden sich auch Journalisten, namhafte Experten und Politiker, die alle ihren Einfluß geltend machen können. Im Bundestag hatten sie die Oppositionsparteien auf ihrer Seite und sie standen lange in Verhandlung mit der SPD, um deren Abgeordnete davon zu überzeugen, den Gesetzentwurf ebenfalls abzulehnen. Und vergleichbar mit den Massen an Studierenden, die sich an den bundesweiten Demonstrationen beteiligten, konnten die Zensurgegner 130.000 Menschen überzeugen, sich einer Petition gegen das vorgelegte Gesetz anzuschließen.
Die Ausgangsbedingungen, dieses Gesetz zu verhindern, waren also m.E. viel besser als jene der Studierenden, bessere Bildungsbedingungen zu erreichen.
Und trotzdem: Es half nicht viel. Trotz der Petition, trotz der ganzen Gespräche, die geführt wurden, trotz der Bedenken von Experten, trotz der Demonstrationen, wider den besseren Argumenten und der Kritik aus den eigenen Reihen beschloß die große Koalition gestern das umstrittene Gesetz.
Manche wollen hieran erkennen können, daß die Politikergeneration und die Parteien eine ganze Generation verlieren, daß die etablierten Berufspolitiker den Kontakt zur "Internetgeneration" verloren haben. Schaut man auf den Bildungsstreik und die mangelnde Bereitschaft der 'Jungen', sich an dem gesellschaftlichen Dialog (wenn überhaupt noch vorhanden) zu beteiligen, stellt man womöglich noch tiefere Gräben fest, die schon längst gefährliche Ausmaße angenommen haben.
(Foto von demoversion auf flickr.com unter CC-Lizenz)
Labels: Netz, Politikwelt, Uniwelt
1 Comments:
Das stimmt sicherlich mit der Politiker- und Parteienverdrossenheit.
Dazu kommt denke ich noch die Entsolidarisierung und "Jeder ist sich selbst der nächste"-Haltung, die durch die neokonservative Politik der letzten Jahrzehnte gefördert wurde. Man muss ja nur mal den Bildungsstreik mit den Protesten vor 40 Jahren vergleichen...
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