18 Mai 2011

"Democracia Real YA!"

(oder: Die Medien verschlafen die spanische Revolution)

Am 15. Mai war Spanien auf den Beinen, in ca. 70 spanischen Städten fanden Demonstrationen statt, die sich, jetzt, kurz vor den Wahlen, gegen das festgefahrene spanische Zwei-Parteien-System richteten, und dagegen, daß den Bürgern von den Wahllisten am Sonntag viele korrupte, auch bereits vorbestrafte Politiker entgegen winken werden. Von der konservativen spanischen Presse und vom Staatsfernsehen werden diese Demonstranten meist als linke Spinner abgestempelt, dabei handelt es sich wohl um eine recht heterogene Gruppe, einen Querschnitt durch die Bevölkerung, um Menschen, die wütend sind über das Lohnniveau, die hohe Arbeitslosigkeit und die eher ideologiefrei mehr Mitbestimmung und "echte" Demokratie fordern.
Die Proteste ebbten am 15. Mai jedoch nicht einfach ab, die Demonstranten beschlossen stattdessen, auf zentralen Plätzen in Städten im ganzen Land zu campieren - und wie es aussieht werden sie dort auch mindestens bis zum Wahlsonntag bleiben und sich den Räumungsversuchen durch die Polizei widersetzen.
In Spanien gingen also viele Tausende friedlich auf die Straße und protestieren nun schon tagelang auf zentralen Plätzen in fast 30 spanischen Städten - na, wenn das kein Grund ist, daß es spätestens gestern einen kleinen Bericht auch in den deutschen Nachrichten dazu hätte geben sollen, dann weiß ich auch nicht mehr. Stattdessen wird über die evtl. Schwangerschaft von Carla Bruni berichtet und darüber, daß Matthias Opdenhövel jetzt von Pro7 zur ARD wechselt.
Man muß sich schon sehr wundern, wo bitte die ganzen "Qualitätsjournalisten" in Deutschland geblieben sind. Die können doch nicht alle gemeinsam vor der Zelle von Strauss-Kahn sitzen und darauf warten, daß er ihnen mal durch die Gitterstäbe zuwinkt, oder?

Also: Liebe Presse! Haaaalloooo! Ist bei Euch noch jemand wach? Ihr verpennt da momentan nämlich etwas. Macht doch mal zur Abwechslung Euren Job, sonst könnt Ihr Euren komischen Wettkampf, den Ihr so gerne und krampfhaft gegen das Internet führt, gleich abschreiben.

Das Manifest zu den spanischen Protesten gibt es inzwischen in einer deutschen Übersetzung. Ein paar weitere Informationen gibt es auf globalvoices.

Update: Ich bin offensichtlich nicht der einzige, der sich über die verhaltene Presse wundert - aber inzwischen stehen immerhin auch ein paar Sätze in der taz.

Noch ein update (18.5.): Langsam bewegt sich etwas in der Blätterwelt: Focus, Stern und MoPo haben das Thema jetzt klein im Nachrichtenticker - durchgereicht werden eine paar Sätze, die von der dpa kamen. Peinlich. Viel wichtiger ist natürlich, ob bei den Plädoyers im Kachelmann-Prozeß die Öffentlichkeit zugelassen ist. Ja, klar. *facepalm*

(Bild: furilo auf flickr.com, unter CC-Lizenz)

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