...es geht wieder los. Leute treffen sich auf öffentlichen Plätzen und
betrinken sich schauen zusammen Fußball. Da der Ort und die Tatsache dieser Zusammenkünfte irgendwie vermarktungstauglich benannt werden müssen, haben sich (seit 2006) die Begriffe "public viewing area" bzw. "public viewing" eingebürgert. So weit, so egal. Ich kenne eh niemanden, der von sich behauptet, zum "public viewing" zu gehen oder sein Bier in der "public viewing area" zu trinken. Es stört mich aber auch nicht, wenn z.B. jemand eine Liste mit allen Orten, an denen man gemeinschaftlich die WM sehen kann mit "public viewing" überschreibt.
Was mich hingegen schon seit vier Jahren stört ist das Gewitzel bzw. die Klugscheißerei darüber, "public viewing" bezeichne eigentlich die öffentliche Aufbahrung eines Toten. Ich bin kein Anglist und behaupte auch nicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, aber werfen wir doch eine Suchmaschine an und schauen mal, wie "public viewing" bei den native speakern tatsächlich verwendet wird:
Da gibt es z.B. eine Werbebroschüre, in der der "
Hamble Community Sports Complex" beworben wird mit
The 20m 4 lane swimming pool is the perfect place to swim, the deep end is 1.97m and the shallow end 1.2m. A fully qualified RLSS Pool Lifeguard is on duty at all times. There is a public viewing area with vending machine facilities.
Igitt! Leichen liegen da neben dem Schwimmbad rum? Zwischen den Münzautomaten?
Auf dem "
Telford & Wrekin Council Watch" findet man in einem Forumsthread zu einer Baustelle dann
A public viewing platform has now been set up at the side of the site to enable members of the public to go and watch the scheme progress themselves.
Was sollen sich die members of public da anschauen? Verstorbene auf oder von einer Plattform aus? Oder vielleicht doch die Baustelle selbst? Aber nicht nur Baufortschritte können public geviewt werden, sondern auch
Pläne und Bekanntmachungen liegen öffentlich aus:
Public Viewing of Planning Data [...]
Allowing you to view recent planning applications, the local plan, appeals and decision registers and agendas and minutes of our planning & development team.
Und neben Schwimmbädern, Baustellen, Leichen und öffentlichen Bekanntmachungen kann man sich auch Sterne angucken (so jedenfalls die BBC zum Thema "
New telescope open to public"):
They organise public viewing sessions as part of the society's aim to help educate the public in the science of astronomy.
Im englischsprachigen Raum kann man sich also beim "public viewing" eine ganze Menge ansehen und (da stimme ich Anatol Stefanowitsch voll und ganz zu) es ist halt einfach "
ein Lehnwort, das im Deutschen eine engere Bedeutungsspanne hat, als im Englischen". Nur, weil es im Englischen
auch eine Aufbahrung bezeichnen kann, muß ich mir diese Tatsache verpackt in eine Spachnörgelei, als Kampfthese für den Verfall der deutschen Sprache oder als Beleg für die Uninformiertheit und die mangelnden Fremdsprachenkenntnisse der Lehnwortbenutzer jetzt alle zwei Jahre immer und immer wieder unter die Nase schmieren lassen?
Nein, es nervt. Lasst es sein, es nervt wirklich. Das Ding mit der Aufbahrung ist etwas für Radiomoderatoren, die im Sommerloch noch einen blöden Witz am Rande brauchen, für Küchenpartygespräche, bei denen als Langeweile uninteressante Halbwahrheiten verbreitet werden. Hey, der Daumen ist gar kein Finger, Eisbären fressen keine Pinguine, bla.
Also nichts gegen Geschwätz, aber die Sache mit der Aufbahrung (eine Leichenschau ist btw. wieder etwas anderes) - ich bitte Euch! So, genug genörgelt.
Viel Spaß bei der WM und beim
Public Viewing (z.B. in Trier).
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